Und wieder hetzte ich vom Times Square zur Fifth
Avenue, um zur Arbeit zu kommen. Mein Auto war wie immer kaputt und ich wie
immer zu spät. Ich arbeite bei einer bekannten Modezeitschrift, deren
Zeitlicher Ablauf auch meinem bestimmt. Wie üblich in der Modebranche ist mein
Leben voller Stress. Ich habe unzählige Termine am Tag und muss mir oft auch
noch Arbeit mit nach Hause nehmen. Natürlich habe ich auch viele Freunde -
Models, Designer, Stylisten, Schauspieler - doch genügend Zeit bleibt mir
leider für die auch nicht übrig. Einen Mann habe ich zur Zeit nicht; mein letzter
Freund, Giovanni, 23, Model, verliess mich, als ich ihn in der Silvesternacht
mit drei Victoria’s Secret Engeln in unserem Bett erwischte. Er nannte das „selbstverständlich“
und meinte auf Grund meiner Reaktion, die Beziehung beenden zu müssen. Nun bin
ich 40 Jahre alt, habe keine Kinder, mein Auto geht so gut wie nie und das
Botox hilft langsam aber sicher auch nicht mehr. Doch in meinem Job bin ich eines
der hohen Tiere. Kein Bericht kommt in unsere Zeitschrift, kein Model kommt auf
ein Foto, bevor ich nicht eingewilligt habe. Unsere Vorstellung von Schönheit
ist klar definiert, wir buchen nur Models mit 0-Größe, sie müssen groß sein und
eine grazile Ausstrahlung haben. Auch in meinem Privatleben achte ich sehr auf
das Aussehen der Menschen. Da es in meinem Freundeskreis sehr wichtig ist, gut auszusehen
pflege ich mein Aussehen sehr und auch meine Ex-Freunde waren bis jetzt immer
bekannte Models.
Diesmal hatte ich mir vorgenommen mit der
U-Bahn nach Hause zu fahren. Normalerweise
mache ich so etwas nie, denn der Underground von New York ist gefährlich und
voller Idioten. Naja, mir blieb nichts anderes übrig da ich einen Berg von
Akten mit nach Hause nehmen musste. Voll bepackt stand ich nun von der U-Bahn
und stieg in den nächsten kommenden Wagen ein. Ich schaute mich erstmal um,
bevor ich mich hinsetzte, um körperlichen Kontakt mit anderen Menschen zu
vermeiden. Da saß ich nun und versuchte, einige Blicke im gegenüberliegenden
Fenster zu erhaschen. Meine langen blonden Haare lagen leicht auf meinen
Schultern und mein roter Lippenstift glänzte immer noch wie am Morgen. Ich bemerkte,
dass ich immer dünner wurde und ich mit meinen langen Beinen immer mehr aus der
Menge rausstach. Doch war das nicht das, was ich immer wollte? Anders sein, als
alle andern? Oder war es das, was die Branche aus mir gemacht hatte? Schnell
schüttelte ich meinem Kopf, um aus meinen sinnlosen Träumereien herauszukommen
und sprang auf. Meine Haltestelle war bereits gekommen, und ich saß noch hier.
Mit einem zielstrebigen Gang lief ich zur Tür, doch als ich gerade den Schritt
aus der U-Bahn rausmachen wollte, stieß ich mit einem jungen Mann zusammen. Und
dann passierte das, was ich vermeiden wollte: MeineSamstag, 2. Juni 2012
Ist es das Wert?
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